Projektkurs geht im Hochgebirge bis an die Grenzen

Herr Wölfer warnt vor einem Bericht von "herausfordernder" Länge. Aber unsere Hüttenwanderer der (ehemaligen) Q1 haben bei ihren Klettertouren durch das Karwendel- und das Wettersteingebirge gemeinsam mit Bergführer Andreas "Andi" Biberger eben auch eine Menge erlebt... Also: Lesen lohnt sich!

Als es am 11.07. um 6:34 Uhr am Bahnhof Münster losging, waren alle Teilnehmer (14 Schülerinnen und Schüler des Projektkurses "Herausforderung sowie Herr Wölfer und Frau Salzwedel) aus sportlicher Sicht hinreichend fit. Jeder hatte sich zuvor im Laufe des Schuljahres für einen Sportwettkampf (z.B. 5- oder 10-km-Lauf, Hindernisparcours Bundeswehr –Olympix ) vorbereiten und das Training dazu dokumentieren müssen. Für das Klettern im Gelände ging es zusätzlich an einem Sonntagmorgen ins Brumleytal nahe Ibbenbühren, wo man unter Anleitung von Friedhelm Todtenhaupt einen Klettersteig im Steinbruch zu bewältigen hatte.

Nach 9-stündiger Zugfahrt kam man in Mittenwald an. Der Bergführer verteilte die Kletterausrüstung, kontrollierte die Rucksäcke der Schüler, dann ging es hoch zur Brunnsteinhütte (1523 m). Und das recht zügig, schließlich wollte man zum Abendessen pünktlich da sein. Die Brunnsteinhütte besitzt seit 2001 das Umweltgütesiegel des Deutschen Alpenvereins, der Energiebedarf wird zu 100% regenerativ erzeugt. Für Hüttengäste bedeutet das aber auch: es gibt keine Duschen, kein Fernsehen, man kann kein Handy aufladen, und die Toiletten haben keine Spülung im klassischen Sinn. Schlimm? Nein! Dafür ist das Essen ausgesprochen lecker und die Aussicht sehr schön

Am nächsten Tag ging es bei bestem Wetter hoch zur westlichen Karwendelspitze (2385 m). Nach Erreichen der Baumgrenze war auch das erste Mal Klettern angesagt. Über den recht einfachen Heinrich-Noe-Steig gelangte man zunächst bis hoch zur Seilbahnstation der Karwendelbahn. Wer wollte (das waren konkret 11 von 16) , konnte dann noch mit dem Bergführer den schwierigen Karwendelklettersteig bis zum Gipfelkreuz in Angriff nehmen. Oben angelangt, musste dann auch noch eine Video-Grußbotschaft an den scheidenden Kollegen Günter Hoffmann verschickt werden. Nun nur noch runter, dieses Mal mit der Seilbahn, dann ab in den Zug nach Garmisch-Partenkirchen, und schnell hoch zum Kreuzeckhaus (1652), wieder mit der Seilbahn. Das Kreuzeckhaus ist eigentlich so etwas wie das „Stammhaus“ dieser Tour. Meistens verbringt man – je nach Wetterlage – 3-5 Übernachtungen hier. Das Haus erinnert weniger an eine Berghütte als an ein einfaches Landgasthaus. Lage und Aussicht (z.B. Alpspitze, Zugspitze) sind kaum zu toppen. Von hier aus können die verschiedensten Wanderungen und Klettertouren unternommen werden. Auch hier wird man kulinarisch verwöhnt, abends gab es immer drei Gänge inkl. Salatbuffet. Dieses Jahr wurde von den Schülern vor allem Barbaras Kartoffelsuppe gerühmt. Überhaupt muss man anmerken, dass Stefan und Barbara, die Betreiber des Hauses, uns nahezu jeden Wunsch erfüllt haben. Nur so ganz am Rande sei notiert, dass es dort zwar auch kein WLAN gibt, aber dass das Empfangsnetz wegen der nahegelegenen Seilbahnstation sehr gut ist. Und Duschen konnten wir hier auch endlich wieder.

Für den nächsten Tag stand die Alpspitze (2628 m) auf dem Programm. Der pyramidenförmige Gipfel gilt als Wahrzeichen von Garmisch-Partenkirchen. Ab der Station Osterfelderkopf/Alpspix (2050 m) kann man den Gipfel über einen weitgehend aus Eisenstangen bestehenden Klettersteig (Alpspitz-Ferrata) bezwingen. Aufgrund der üppigen Sicherungen gilt dieser Klettersteig als idealer Anfängersteig. Gesagt, getan. Zum Glück waren wir recht frühzeitig unterwegs und hatten dadurch nur wenige Gruppen vor uns. Der Abstieg über das Schotterfeld war da schon schwieriger. Hier zeigte sich auch wieder, wie wichtig es ist, einen Bergführer dabei zu haben, der die Gegend (und damit die zu wählenden Routen) wie seine Westentasche kennt. Kritische Passagen wurden von ihm zusätzlich durch Hilfsseile abgesichert. Wer mochte, konnte auf dem Rückweg zum Osterfelderkopf auch noch einen „Drahtseilakt“ (sprich: das Balancieren auf einem Drahtseil, um von einem Hügel zum nächsten zu gelangen) wagen. Nach dem Abendessen wurde – wie üblich – über den nächsten Tag diskutiert. Eigentlich stand ja die Zugspitze auf dem Programm. Wenn man dem Andi glauben konnte, eigentlich eine „Scheiß-Idee“. Bedingt durch die extrem hohe Anzahl an Seilbahntouristen hätte man nach dem Aufstieg mindestens eine Stunde für ein Foto am Gipfelkreuz anstehen müssen. Am Ende überzeugte er uns, die die viel anstrengendere Tour zur Riffelscharte (2163 m) über das Höllental zu machen. Es ist eine Route abseits des Massentourismus, die einen immer wieder mit herrlichen Aussichten über das Höllental und den Eibsee belohnt. Hinzu kam beim Abstieg zur Station Riffelriß der Zugspitzbahn noch das für uns ungewohnte, aber gleich wohl höchst faszinierende „Geröllsurfen“. Und für das obligatorische Zugspitz-Foto haben wir es dann wie die meisten Touristen gemacht. Hoch mit der Bahn, im Schneeregen schnell ein Foto auf der (Aussichts(?)-)Terrasse machen, dann über 30 Minuten anstehen, um wieder nach Garmisch herunterzukommen. Leider musste der „Andi“ sich nun von uns verabschieden. Er hatte schon die nächste Gruppe auf seinem Programm, es ging für ihn am nächsten Tag mit dem Mountainbike über die Alpen.

Für uns bestanden die letzten beiden Tage aus zwar anstrengenden, aber insgesamt „harmlosen“ Wanderungen. Einmal Schachenschloss (1862 m) und zurück. Beim Hinweg vom Garmischer Bahnhof aus entschieden wir uns „dummerweise“ für den deutlich längeren Weg via Ellmau, bei dem es zwar nicht steil, aber über 20 km fast immer nur bergauf ging. Über den Kälbersteig ging es dann am nächsten Tag wieder nach Garmisch „runter“ und anschließend zum Kreuzeckhaus wieder „hoch“. Der letzte „Kraftakt“ war schließlich freiwilliger Natur. Wer wollte, konnte am nächsten Morgen um 05:15 zur Hochalm zwecks „Sonnenaufgang“ wandern. Es spricht für die gute Moral der Truppe, dass das viele trotz kurzer Nacht dann auch taten. Leider konnte die Sonne sich nicht so richtig zeigen, ein paar Wolken hatten wohl doch etwas dagegen.

In alpiner Landschaft wird man oft mit Situationen konfrontiert, in denen jeder seine Stärken und Schwächen erforschen kann. Sei es der Wechsel von Hitze und Kälte, der kraftraubende Anstieg in einer Felswand oder der ungewohnte Abstieg über ein steiles Geröllfeld. Immer wieder wurde uns vor Augen geführt, wie klein und verletzlich der Mensch ist, und welche Energie trotzdem in einem steckt, solchen Schwierigkeiten zu trotzen. Am Ende konnte so auch jeder Einzelne stolz auf die eigene Leistung sein. Insgesamt wurden 5583 m bergauf und 4343 m bergab bewältigt. Abgerundet wurde diese Tour durch die sehr geselligen Hüttenabende, bei denen wir bei Brett- und Kartenspielen oder beim gemeinsamen Musizieren immer eine Menge Spaß hatten. Keine Wunder, dass der „Andi“ traurig war, als er uns verlassen musste.

Wilhelm Wölfer